Klagemauer
Seit einigen Wochen steht unter dem Kirschbaum im Fuchsbaugarten eine Mauer aus großen, braunen Sandsteinen. Kleine und größere Fugen geben den Besuchern der Mauer die Möglichkeit etwas Belastendes, etwas Beklagenswertes loszuwerden.
Hier an der Mauer darf geschimpft, getadelt, beschuldigt, ge- und verklagt werden. Diese Klagen finden hier in den Fugen und Ritzen eine Bleibe. Wer klagen kann, ist zornig, traurig, erschüttert, verzweifelt, aber nicht depressiv.
Wer klagen kann, jammert nicht.
Beim Jammern bleibt der Mensch bei sich selbst, dreht sich im Kreis, hat keinen Impuls in Richtung Veränderung, ist fixiert auf das Schmerzliche. Wer so jammert, wirkt jämmerlich. Ins Jammern verfällt jemand, der keine Kraft mehr zum Klagen hat.